FAQ Sternbrücke – Historie und grüne Positionen

Das Thema Sternbrücke erhitzt seit Jahren die Gemüter. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Deutsche Bahn Netz AG die 100 Jahre alte Brücke durch einen Neubau ersetzen möchte, um ihre Schieneninfrastruktur leistungsfähig zu halten. Auf der anderen Seite stellt dieser geplante Brückenaustausch einen großen städtebaulichen Eingriff dar, da der Baumaßnahme einige Gebäude zum Opfer fallen, viele über Hamburg hinaus bekannte Clubs sich neue Räume suchen müssen, eine langjährige Baufläche auf der sogenannten Brammerfläche entsteht und die geplante Brückenvariante deutlich von der jetzigen stilprägenden und denkmalgeschützten Brücke abweicht. Zudem stellen sich mit dem Neubau auch viele Fragen hinsichtlich einer neuen Verkehrsplanung unterhalb der Brücke, wo sich mit der Stresemannstraße und der Max-Brauer-Allee zwei vielbefahrene Straßen samt starkem Auto-, Bus-, Fahrrad- und Fußverkehr treffen.

Im Folgenden möchten wir die grüne Position zu diesem Vorhaben anhand von häufig gestellten Fragen (FAQ) darstellen und dabei auch beschreiben, welchen Anteil wir an den einzelnen Entscheidungen haben und wie wir das Vorhaben in Zukunft weiter begleiten möchten. Selbstverständlich muss sich diese Argumentation niemand zu eigen machen und wir würden uns über einen konstruktiv-kritischen Dialog freuen.

FAQ

Geschieht die Erneuerung der Sternbrücke auf Initiative von Bezirk oder Senat?

Nein. Die Deutsche Bahn Netz AG ist gutachterlich zu dem Schluss gekommen, dass die Brücke den Anforderungen des derzeitigen und zukünftigen Bahnverkehrs auf dieser zentralen Trasse nicht mehr gerecht wird und hat die Planungen zu einem Abriss angestoßen. Das Bauvorhaben ist damit ein Eisenbahninfrastrukturprojekt in der Verantwortung des Bundes, da die Bundesebene grundsätzlich für die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland zuständig ist. Die von Seiten des Bundes vorgesehenen Aus- und Neubauprojekte beruhen auf dem Bundesverkehrswegeplan 2030 und die damit verbundenen Maßnahmen sind bundesgesetzlich geregelt1. Damit wurden erst in einem zweiten Schritt Stadt und Bezirk einbezogen.

Damit wollen wir die Verantwortung nicht bei der Deutschen Bahn abladen. Wir Grüne halten einen funktionierenden Bahnverkehr auf einer modernen Schieneninfrastruktur für den Mobilitätswandel für immens wichtig und stehen daher solchen Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber – natürlich unter der Berücksichtigung der vielen Vor- und Nachteile (siehe dazu die anderen Fragen).

Muss die Brücke wirklich abgerissen werden?

Ja. Eine neue Brücke – das sagen auch fachlich versierte Gegner der jetzt geplanten Lösung – ist unerlässlich2. Daran ändert leider auch der Denkmalschutz nichts, der in diesem Fall wegen der Erneuerungsnotwendigkeit und Verkehrssicherheit hinten anstehen muss. Es geht also vielmehr um das wie, als um das ob.

Kann statt der Bogenbrücke nicht auch eine Brücke auf Pfeilern – ähnlich dem heutigen Modell gebaut werden?

Ja, das ist möglich. Wie schon der Vorgänger-Senat entschieden hat, soll mehr Verkehrsraum unter der Brücke nutzbar sein. Denn in der baulich engen Stresemannstraße verlaufen untermaßige Fuß- und Radwege, unter der Brücke muss der Fahrbahnverkehr aufgrund des Brückenpfeilers stadtauswärts von zwei auf eine Spur einfädeln und der Radverkehr hat stadteinwärts keine durchgehende Verkehrsführung. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass die dicht besiedelte Stresemannstraße eine Route für Gefahrgüter ist. Eine Brücke mit Pfeilern hätte laut Gutachten zudem eine längere Bauzeit zur Folge und würde in dieser Zeit einen stärkeren Eingriff in den Straßen- und Schienenverkehr bedeuten – und auch hier würden Häuser und Bäume der Brücke zum Opfer fallen.

Eine Bogenbrücke hingegen würde eine stützenfreie Kreuzung erlauben, die deutlich mehr Raum für eine neue, sinnvolle und dem Umweltverbund von Bus, Fahrrad und Fußgänger*innen dienliche Verkehrsaufteilung erlauben würde. Außerdem wäre der Eingriff in den bestehenden Schienen- und Straßenverkehr weniger massiv.

Kann man die Bogenbrücke weniger groß und massiv gestalten?

Ja, das ist möglich. Aus statischen Gründen ist ein großer Bogen notwendig und die Lärmschutzwände müssen in ihrer Höhe gesetzlichen Standards entsprechen. Wir Grüne haben uns dafür eingesetzt, diese Massivität abzumildern, wo es geht. So wurde auch aufgrund der Bürger*innenbeteiligung eine etwas abgeschrägte Variante geplant, die den Bogen weniger gewaltig wirken lassen soll. Zudem haben wir als Bezirksversammlung auf Antrag der Fraktion GRÜNE (zusammen mit CDU und SPD) die Bahn aufgefordert, auch transparente Lärmschutzwände in Betracht zu ziehen3, was diese nun auch prüfen will.

Plant die grüne Behörde für Verkehr und Mobilitätswende unter der Sternbrücke mehr Platz für Autos zu schaffen?

Nein. Eine häufige Sorge von Gegnern der Bogenbrücke ist, dass der dadurch entstehende Freiraum lediglich der Verbreiterung der beiden Straßen für den Autoverkehr dienen soll. Tatsächlich hat die (damals noch nicht grüne) Verkehrsbehörde die Deutsche Bahn um die Planung einer Bogenlösung statt einer Pfeilerbrücke gebeten, ohne klar zu formulieren, welche Verkehrsmittel von dem gewonnen Raum profitieren können. Das hat sicherlich lange Zeit verständlichen Argwohn erzeugt. Davon kann nun schon länger nicht mehr die Rede sein. Gerade erst hat die (nun grüne) Verkehrsbehörde in einer Pressemitteilung die Anwohnenden eingeladen, an einem Beteiligungsverfahren zur Umgestaltung der Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee teilzunehmen. Dabei wird in der Pressemitteilung u.a. festgehalten:

Ziel ist es, Potentiale der Mobilitätswende zu heben […]. Neben einer eigenen Führung des Radverkehrs geht es dabei vor allem um einen barrierefreien und sicheren Fußverkehr sowie die Optimierung der Fahrwege und Haltestellen für die Buslinien (Busbevorrechtigung) auf einer der am stärksten frequentierten Busachsen der Stadt.“4

Müssen wirklich 85 Bäume gefällt werden und wenn ja, warum?

Ja. Da die Brücke auf der sogenannten Brammerfläche vormontiert wird, um den Eingriff in den bestehenden Schienen- und Straßenverkehr gering zu halten, müssen die sehr großen fertiggestellten Brückenteile über die Max-Brauer-Allee zur Kreuzung transportiert werden. Das geht leider nur, wenn ein Teil der dort befindlichen Bäume gefällt wird. Ein Teil der 85 Bäume müsste auch gefällt werden, wenn eine andere Brückenlösung realisiert würde, da sie sich im direkten Bau-Umfeld der Brücke befinden.

Wir haben uns dafür eingesetzt, dass diese Fällungen durch Ersatzpflanzungen im Bezirk Altona ausgeglichen werden. Es ist vorgesehen, für die 85 Fällungen innerhalb Altonas 200 Neupflanzungen vorzunehmen5. Wir haben bereits im Jahr 2020 den Senat und Bezirk aufgefordert, im Umfeld der Brücke zukünftig deutlich mehr Grün und mehr Grünflächen zu schaffen. Wir fordern eine Bürger*innenbeteiligung hierzu, damit die Menschen konkrete Vorschläge einbringen und diskutieren können.6

Was geschieht mit den Clubs unter der Brücke?

Die Clubs mussten leider schon jetzt weichen, da die ersten Baumaßnahmen unmittelbar bevorstehen. Das bedauern wir sehr, da auch uns die Bedeutung der Clubs über Hamburg hinaus bewusst ist und nicht wenige von uns diese Clubs gern besucht haben. Zur Wahrheit gehört auch, dass den Clubs schon beim Einzug klar war, dass die Nutzungszeit aufgrund des schon lange angekündigten Brückenneubaus befristet ist.

Grüne in Bezirk, Bürgerschaft und Senat haben viele Anstrengungen unternommen, die Clubs bei der Suche nach einer neuen Bleibe zu unterstützen. Die Clubs Fundbüro, Beat Boutique und Bar 227 haben schon eine neue Bleibe gefunden und sehen diese Unterstützung auch positiv. So sagt Luna Twiesselmann vom Fundbüro: „Wir sind total happy, dass supported wurde von der Stadt, von den Behörden und so schnell eine Lösung gefunden worden ist7

Waagenbau und Astra-Stube wurden ebenfalls Ersatzräumlichkeiten im gleichen Umfeld angeboten, wurden von diesen allerdings aus konzeptionellen und finanziellen Gründen abgelehnt. Der Waagenbau ist derzeit im Schrødingers im Schanzenpark aktiv, die Astra-Stube sucht leider weiterhin noch nach einer neuen Bleibe.

Gab und gibt es eine Beteiligungsmöglichkeit für Anwohner*innen, um den Bau und die Maßnahmen drumherum zu beeinflussen?

Ja. Es gab zum einen mehrere Beteiligungstermine zur Gestaltung der Brücke, die von der Bahn durchgeführt wurden. Dort konnten nur ästhetische Gesichtspunkte diskutiert werden, nicht die Entscheidung über Bogen- oder Stelzenbrücke, da diese Entscheidung schon durch Bahn und die vorherige, noch nicht grün besetzte Verkehrsbehörde gesetzt war. Insofern können wir nachvollziehen, dass diese Beteiligung für viele nicht die Erwartungen erfüllt hat. Zum anderen gibt es jetzt ein Beteiligungsverfahren für die Gestaltung des Verkehrsraums in Richtung Optimierung für den Umweltverbund (Bus, Fahrrad & Fußverkehr). Diese Verfahren beginnt gerade erst und hier sind die Ideen der Bürger*innen explizit gewünscht und werden ernst genommen.

Fazit

Als Grüne sind wir nicht die Initiatoren der Brücke und waren auch nicht für die Grundentscheidung, dass diese als Bogenbrücke gebaut wird, verantwortlich. Wir bedauern den städtebaulichen Eingriff, die bereits erfolgten Club-Umzüge und die Notwendigkeit der Baumfällungen.

Dennoch sehen wir den Erneuerungsbedarf, da nur ein modernes Schienennetz deutlich mehr Fahrten und mehr Pünktlichkeit ermöglicht. Dies ist uns als ökologischer Partei für die Attraktivität des Bahnverkehrs als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel sehr wichtig. Auch sehen wir die Chance, in diesem Zuge die schwierige Verkehrssituation unter der Brücke aufzulösen und dort nicht weitere 100 Jahre ein Nadelöhr für alle Verkehrsteilnehmer*innen mit hoher Unfallgefahr zu haben.

Das Thema Sternbrücke eignet sich für keine Schwarz-Weiß-Diskussion, wo es nur falsch und richtig gibt. Es gibt viele Argumente dafür, dagegen und dazwischen, bei denen in der Gesamtschau die Waagschale in Richtung Erneuerung mit einer Neuordnung des Verkehrsraumes im Sinne der Mobilitätswende neigt. Wir würden uns freuen, wenn sich viele an den weiteren Planungswerkstätten für die Verkehrsführung beteiligen würden.

Auf jeden Fall hoffen wir, mit diesen FAQs unsere Position verständlicher gemacht zu haben und freuen uns über euer Feedback und Fragen:

Weitere Links:

Infoseite der Deutschen Bahn: https://www.eisenbahnbruecken-ehm.de/sternbruecke.html

Kommentar in der ZEIT: https://www.zeit.de/hamburg/2023-08/sternbruecke-hamburg-umbau-baustelle-kritik

1 Siehe Antwort der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. https://fragdenstaat.de/anfrage/planung-schienenverkehr-grossraum-hamburg/

2 „Sternbrücke Hamburg: Unüberbrückbare Gegensätze“, https://www.zeit.de/hamburg/2023-08/sternbruecke-hamburg-umbau-baustelle-kritik

3 https://gruene-altona.de/die-neue-sternbruecke-so-transparent-wie-moeglich/

4 Behörde für Verkehr und Mobilitätswende 12.01.2024: „Umfangreiche öffentliche Beteiligung zur Umgestaltung der Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee beginnt“ (12.01.2024) https://www.hamburg.de/bvm/medien/18064444/2024-01-12-bvm-verkehrsraum/

5Sternbrücke und Schanzenstraße – so geht’s weiter https://www.eisenbahnbruecken-ehm.de/news-reader/sternbruecke-und-schanzenstrasse-so-geht-s-weiter.html

6Beschluss der Mitgliederversammlung vom 19.12.2020 https://gruene-altona.de/wp-content/uploads/sites/89/2023/09/Antrag_Sternbruecke_2020.pdf

7 https://www.ndr.de/kultur/musik/pop/Hamburg-Neues-Zuhause-in-Kasematten-fuer-Sternbruecke-Clubs,clubszene108.html