Impulsrunde Lebendige Zentren

Die Eindämmung der Corona-Pandemie hat sich nachhaltig auf die Wirtschaft und den Einzelhandel ausgewirkt und tut es noch. Einige profitieren, wie die nahversorgenden Unternehmen, andere haben mit der Herausforderung zu kämpfen. Gerade um den kleinteiligen Einzelhandel, der uns allen als Bereicherung der Quartierszentren so lieb ist, machen viele sich Sorgen. Wie steht es jetzt konkret um die Quartierszentren und die Innenstadt? Wo möchten die Menschen sich aufhalten und was können wir ihnen anbieten? Welche Lösungen für die Zukunft können wir uns für die öffentlichen Räume vorstellen und was haben wir schon unternommen, was vielleicht schon als Erfolg zu werten ist? 

Am 22. Juni 2021 haben wir als Kreisverband Altona über den Tellerrand geschaut und eine Diskussionsrunde mit Interessengemeinschaften, Stadtentwicklerin und städtischer Politik gestartet, um über die Veränderungen der Stadtteilzentren in unserer Stadt zu sprechen. Welche Ideen und Lösungen sich schon hier oder anderswo bewährt haben und welche wir noch benötigen, konnten wir in der etwa 90-minütigen Runde erarbeiten. Unsere Gäste waren: 

Melanie Lansmann, Citymanagerin von der Interessengemeinschaft Harburg 

Michael Birkhold, Citymanager von der Interessengemeinschaft Jungfernstieg, der auch im Kulturverein Jungfernstieg aktiv ist 

Katharina Grön, Stadtplanerin von urbanista (Büro für Stadtentwicklung und urbane Zukunftsstrategien, sie haben in Hamburg unter anderem die Quartiersentwicklung in Billstedt und Ottensen macht Platz begleitet) 

Miriam Putz, Sprecherin für Wirtschaft, Tourismus, Flughafen und Hafen der Grünen Bürgerschaftsfraktion 

Dominik Lorenzen, Fraktionsvorsitzender der Grünen Bürgerschaftsfraktion 

Lars Boettger, KV Altona und Mitglied der Grünen Fraktion Altona 

Gestartet sind wir mit der Geschichte und Entwicklung der Warenhäuser: Die Konsolidierungsphase hatte mit der Übernahme von Kaufhof durch Karstadt in 2019 den jüngsten Meilenstein gesetzt. 

Der Online Handel hat sich parallel zur Konsolidierungsphase der Warenhäuser stetig weiterentwickelt, seit 2014 konstant, davor exponentiell. Hier lohnt sich ein separater Blick darauf, was 2014 dazu geführt hat, dass die Steigerungsrate des Onlinehandels so gebremst hat. 

Was tun mit den leeren Warenhäusern? 

Im ersten Videoausschnitt geht es darum, welche Möglichkeiten es gibt, mit den Leerständen großer Warenhäuser umzugehen. Miriam Putz, wirtschaftspolitische Sprecherin in der grünen Bürgerschaftsfraktion berichtet dazu, dass die Bereitschaft der Gebäudeverwaltungen verstärkt durch die Corona Krise sich zum Positiven gewandelt habe, was die Offenheit zu Veränderungen angehe. Sie findet die Prozesse zu lang, um einfach mal Neues ausprobieren zu können und denkt dabei auch an fehlende Spielplätze in Innenstadtlagen. 

Was macht Corona mit dem Einzelhandel? 

Wie hat sich die Situation des Einzelhandels generell durch die Coronakrise verändert? Wie stellen sich heute die Interessengemeinschaften zu diesen Herausforderungen auf? 

Melanie-Gitte Lansmann als Citymanagerin für Harburg sieht eine starke Solidarität bei den Mitgliedern der Interessengemeinschaft und auch einen Effekt unter den verschiedenen Interessengemeinschaften, die sich mit der Handelskammer gut auf die neue, herausfordernde Situation im Rahmen der Pandemie einstellen konnten und alle noch stärker zusammengebracht hat. Insgesamt sieht sie die Quartiere gut aufgestellt, anders als die Innenstadt, die die größten Einschnitte zu verzeichnen hatte. Die Schwierigkeiten durch sich immer verändernde Verordnungen und manche Entscheidungen, die zu viel Zeit benötigt haben, konnten alle gemeinsam dann doch gut meistern. 

Auf die Frage, wie sich der Wandel und die Kündigungslage durch die Pandemie entwickelt hätte bis dato konnte die Citymanagerin berichten: „Das Schreckenszenario ist so nicht eingetreten, da sind wir auch ganz froh drüber.“ 

Michael Birkhold konnte die Eindrücke von Melanie Lansmann für die Interessengemeinschaft Jungfernstieg bestätigen: „Ich kann bestätigen … das wir manchen Zusammenhalt entwickelt haben (unter den Einzelhändler*innen) den es vorher gar nicht gab“. Eine schöne Erkenntnis aus der Zeit, wie ich finde. Weiter lobte Michael Birkhold die Zusammenarbeit mit der Verwaltung im Bezirk und den Behörden, wenn auch die Entscheidungsprozesse ein wenig lange gebraucht hätten aber immerhin wurde den Sorgen des Einzelhandels mit Offenheit begegnet. 

Einfach mal Transformation 

„Ich habe in Harburg … schon 2014 mit Pop-Up-Läden Leerflächen bespielt, die wir über Kreative, Künstler, regionale Anbieter bespielen. Dieses Konzept, derzeit 5 Pop-Up-Läden, … nimmt gerade wieder Fahrt auf.“ Pop-Up-Läden haben sie also seit 2014 eingeführt und die hätten sich schon ganz gut verselbständigt. Dazu gibt es Kulturtage für das Wochenende, bspw. für Galerien. 

Dominik Lorenzen, Fraktionsvorsitzender der grünen Bürgerschaftsfraktion bringt den Generationenwechsel im lokalen Einzelhandel in die Runde ein. Eine Brücke Online zu Laden und umgekehrt wird immer wichtiger, denn hier gibt es viele Möglichkeiten und Synergien. Manche Inhaber*innen schaffen schon die Ergänzung zum Onlinehandel und der Digitalisierung ihrer Produkte, hier gibt es aber noch einiges zu tun. Ideen für die Logistik sind darüber hinaus gefordert: „Es geht darum, dass du eine emissionsfeie, kleinteilige, ortsnahe Logistikkette hast.“ 

Neue Mikrozentren 

Im Bezug auf die Veränderung des Kauf- und Mobilitätsverhaltens der Menschen in den Quartierszentren und der Innenstadt hat Katharina Grön berichtet, dass die Menschen ihren Aktionsradius im Bezug auf Nahversorgung und Treffpunkte weiter verringert haben: „Ich glaube auch, dass die Quartierszentren deutlich weniger gelitten haben als die großen Zentren in den Innenstädten.“ Neben den Quartierszentren haben sich noch kleinere Zentren entwickelt. Ein Kiosk neben einem Edeka und noch einer Buchhandlung als Treffpunkt, findet Katharina Grön von urbanista. 

Treffpunkt EKZ 

Einkaufszentren boten in der Coronazeit einen Ort des Treffens und des Zusammenkommens. Man sieht dort vermehrt viele Jugendliche, die sich dort treffen und ihr Taschengeld für ein Eis oder ähnliches ausgeben. 

Dominik Lorenzen sieht viele kleine Schritte, die Transformationsprozesse mit sich bringen. Es gibt spannenderweise auch Von einem Beispiel für die Belebung von Einkaufszentren, die vor Corona mit Leerständen zu kämpfen hatten berichte ich, Lars Boettger. Vielleicht ein Effekt, dass die Menschen sich diese als unter Corona mögliche Aufenthaltspunkte gesucht haben? 

Einladung der Innenstadt 

Michael Birkhold sieht die Herausforderung für den Jungfernstieg gerade vor diesem Hintergrund als noch dringender als schon vor Corona an, die Hamburger*innen wieder in die City einzuladen. Er beschreibt den möglichen Effekt des autoarmen Jungfernstieg Projektes: „Da haben wir zum Beispiel jetzt erreicht, dass wir mit den Anlieger-Gastronomen ein Projekt starten wo wir eben diesen häuserseitigen Jungfernstiegboulevard wieder beleben in einer Café Atmosphäre. Dass Menschen da einfach sitzen an der verkehrsberuhigteren Stelle jetzt und Durchlässigkeit geschaffen wird. Die war überhaupt nicht mehr gegeben zwischen der Wasserseite und der Häuserseite. Man hat sich für eine Seite entschieden und dann war’s das.“  

Die Qualität der Orte macht es aus 

Kathrina Grön geht ergänzend auf die Qualität und die Vielfalt Außenraumes ein, die der beruhigte Jungfernstieg jetzt bietet. Auch die Osterstraße benennt sie als Gewinnerin nach der Umgestaltung, oder dem Re-Design, wie sie es nennt. Diese Veränderungen hätten nun eine gewisse Qualität und trügen zum Wohlbefinden der Menschen bei, die sich gern an solchen Orten treffen mögen: „Ich radle morgens und nachmittags über den Jungfernstieg und gefühlt war eben noch Corona und alle zu Hause aber der Jungfernstieg war sofort voll mit Menschen, die das dort genießen, weil es einfach eine gewisse Qualität dort aufweist.“ 

Der Weg zu solchen Veränderungen in den Quartierzentren ist eine Herausforderung, da es in den Beteiligungen zur Mobilitätswende immer Konflikte zwischen Gruppen gebe, die für Fuß- und Radverkehr sind oder direkt mit dem Auto vor dem Laden parken möchten. Wichtig sei auch die Frage, wie die Leute am besten in die Quartierszentren kommen 

Michael Birkhold findet dass es zu wenig Plätze im Öffentlichen Raum gibt, auf denen sich die menschen aufhalten können, ohne konsumieren zu müssen: 

Er möchte darüber hinaus auch die Sonntage beleben und Veranstaltungen im kulturellen Bereich, wie „Kunst und Kultur“ weiterentwickeln 

Herausforderung der Umgestaltung der öffentlichen Räume 

Ein Schwerpunktthema der Bürgerschaftsfraktion ist „Stadträume“. Hier gibt es eine Bandbreite von Attraktiver machen, Fit für den Klimawandel und Wege Plätze Märkte. „Unser Job ist natürlich dass die Transformation der öffentlichen Räume … ein bisschen schneller in Gang kommt.“ Planungskapazitäten in den Behörden und Bezirksämtern seien hier neben den Budgets die Herausforderung. Freizeit- und Mobilitätsbedürfnisse haben sich dramatisch verändert. Hier muss die Infrastruktur angepasst werden.  

Die Frage „Wie kriegen wir mehr Geschwindigkeit in den Veränderungsprozess?“ ist insbesondere für die Bezirke zu lösen, da hier die Personalsituation am dramatischten ist und gerade die wichtige Vor-Ort-Arbeit ausbremst. Wenn Veränderungen anstehen, gibt es häufig im Prozess Widerstände, da einige Einzelhändler*innen befürchten die Bauphase nicht zu überleben oder weniger Umsatz durch den entfall von Parkplätzen befürchten. Die laufende Kommunikation und eine gute Beteiligungskultur sind wichtig um möglichst viele mitzunehmen. 

Mut zu Visionen 

Melanie Lansmann findet abschließend eine schöne Beschreibung einer Vision, wie sich die Menschen inspirieren lassen können, wie das Wasser in Hamburg wieder mehr genutzt werden kann und was schöne Orte zum Verweilen sind. Sie erzählt von Beispielen aus Harburg und vielfältigen Fördermaßnahmen zur Belebung der Harburger Innenstadt in Zusammenarbeit mit der hcu (hafen city universität). Wie Prozesse der Veränderung flüssiger laufen können sei die Aufgabe der Politik und fordert mehr Mut Dinge umzusetzen und die Diskussionen zu führen, es lohne sich. 

Das ist der beste Übergang zum Schlusswort, wie ich finde. In diesem haben wir nochmal auf das Nachbarland Holland geschaut und festgestellt, dass wir natürlich im Austausch bleiben wollen. 

Auf Initiative der Grünen Altona gibt es den Förderfonds Hamburger Neustartfonds City & Zentren zunächst für 2021 und 2022. Anträge können über die bezirkliche Wirtschaftsförderung gestellt werden. https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/15036478/2021-04-28-neustartaktionen-fuer-die-zeit-nach-corona/ 

Herzlichen Dank für euer Interesse und lieben Gruß, bleibt gesund, Euer Lars. 


Eine Veranstaltung des Kreisverband Altona. Text und Initiative von Lars Boettger, Veröffentlicht vom Kreisverband Altona.